77. Auf der Gräfin Louyse zu Solms Heimholung
1728.
Die kleine Müh, das kurze Streiten
Bringt unaussprechlich süsse Ruh,
Die tiefsten Gottes-Heimlichkeiten
Aus Zion fliessen denen zu,
[211]Die aller Dinge sich enthalten,
Auch nicht das Kleinste rühren an:
Läßt man den Bräutigam nur walten,
So sieht man, was die Liebe kan.
Die Liebe krönt des Lamms Jungfrauen,
Und führt sie vor des Vaters Thron,
Den nur ein reines Herz darf schauen;
Die Liebe wird der Keuschheit Lohn.
Mir ists so neulich als von gestern.
Jüngst tratest du in unser Chor,
1Louyse, theureste der Schwestern;
So sang man dir die Worte vor.
Kaum, daß uns dein Gesicht erschienen,
Kaum daß dein Glaub uns aufgewekt,
Die wir des Königs Willen dienen,
(Doch leider! noch nicht unbeflekt,)
So ward es wieder weggenommen.
Louyse solte Bielitz sehn;
In Bielitz auch zur Ruhe kommen.
So wolte Gott! so ists geschehn.
Wir sitzen gleich beym Abend-Essen,
2So reicht man uns dein Schreiben ein:
Louyse ist uns unvergessen,
Was kan uns angenehmer seyn?
Kommt zu uns, schreibst du, lieben Kinder!
Kan ich nicht kommen, so kommt ihr;
Der Liebe, meinem Ueberwinder,
Ist auch das Bielitzer Revier.
Ich kan nicht mehr, so gern ich schriebe;
So schlossest du das theure Blat,
[212]Gnug, daß mein Herz euch in die Liebe,
Die mich besitzt, ergeben hat.
Ich lieb euch aller End und Orten
Mit Schwesterlicher Zärtlichkeit,
Dein Vater endigt mit den Worten:
Mein Kind ist ausser Ort und Zeit.
So ists! wir spielen mit dem Sterben.
Die Hütte ist bald abgelegt,
Wenn nur das sündliche Verderben
Die Seele nicht mehr niederschlägt.
Bey täglich ausgestandnem Tode,
Hats mit dem Tode keine Noth;
Nach Josua und Calebs Mode
Frißt ihn ein Gottes-Mensch wie Brod.
4 Mos. 14, 9.
Mein Hirt! wie komm ich doch hinüber:
Das ist der Helden Glaubens-Wort,
Kaum ists geredt, so sind sie drüber.
So gehts durchs ganze Leben fort.
Gewiß! wenn einem bey dem Schmerze
Die Zeit und Weile lange dünkt;
So wird ihm ganz geraum ums Herze,
Wenn er in eine Ohnmacht sinkt.
So dachten wir, indem wir lasen:
Louyse hat den Lauf vollbracht,
Uns war zum Abendmahl geblasen,
Ihr zur Vollendungs-Mitternacht.
Indem wir uns zum Sabbath schikten,
3So legte sie die Hütte ein,
[213]Und da wir uns vom Fels erquikten,
So trank sie schon den neuen Wein.
Verklärte! hier hat dein Geschwister
Gar herzlich über dir gethan.
In unsrer Redlichen Register
Stehst du gewiß mit oben an.
Drum was ich, deine Zinzendorfen,
Zu aller Auferbauung, flugs
Nach dieser Zeitung aufgeworfen,
War die Geschichte deines Zugs.
Ein theurer Knecht der grossen Liebe,
Ein Bild von Christi Seelen-Sucht,
(Wir ehren ihn mit stillem Triebe,
Ob ihm die Kälber-Rotte flucht.)
Der grosse Mann, der, weil er lebte,
Auch die Zerschneidung selbst verband,
Ein Jünger, der an Jesu klebte,
Der machte ihr den Herrn bekant.
4Sein erster Antrag war nicht glüklich.
Er warb sie für den Zimmermann;
Das dauchte ihr gar ungeschiklich.
Die Niedrigkeit ist uns ein Bann.
Solang wir mit geborgten Federn
Der unvernünftgen Standes-Höh,
Uns annoch suchen aufzubledern;
So grauet uns vor solcher Eh.
Der Werber sagte: Sie muß wissen,
Mein Principal ist auch ein Fürst,
Die Liebe hat Ihn hergerissen,
Ihn hat nach unserm Heil gedürst't.
[214]Drum mußt Er alle Hoheit meiden,
Itzt prangt Er in der Herrlichkeit.
Das mochte die Comtesse leiden,
Doch bliebs bey Worten noch zur Zeit.
In mehrern Jahren kam er wieder,
Der Mann, der um die Jungfrau warb.
Mein König neigt sich zu ihr nieder,
Der an dem Holze für sie starb,
Will sie, so sprach er, mit Ihm ziehen:
Itzt ruhte Elieser nicht,
1 Mos. 24, 33.
Louyse konte nicht entfliehen.
Man weiß, wie Jesus Seelen krigt.
So gings der Solmsischen Comtessen,
Die eine Erstgeborne war,
Gleich andren, die sich selbst vergessen,
Und scheun nicht Schande, noch Gefahr:
Denn der Durchbrecher aller Klippen
Drang vor ihr hin zu Gottes Heer,
Und in der Arche Seiner Krippen
Durchschifte sie das wilde Meer.
Sie wußte nichts von Neben-Wegen.
Es leben ja die Zeugen noch,
Die sie gesehn, sich niederlegen,
Ans Creutz und unter Jesu Joch.
Nachdem sie alle Welt gewogen,
Und sie zu leicht befunden hat:
So ist sie Christo nachgezogen
Durchs Jammerthal zur Gottes-Stadt.
Wie Paulus dort zu sagen wußte:
Die Briefe hätten Geistes-Maaß,
Das wars, was man bekennen mußte,
Sobald man etwas von ihr las.
Viel Briefe werden aufgesamlet,
Und durch den Druk gemein gemacht,
[215]Die gegen ihren nur gestammlet,
Denn was sie schrieb, das war gedacht.
Wer ihre Führung recht erweget,
Wie lieb ihr der Herr Vater war,
Wie sie der Mutter so gepfleget;
Dem stellet sie ein Muster dar
Von Seelen, die die Tieffe gründen,
Und doch den Anstoß nicht berührn,
Den mehrentheils die andren finden,
Die gern ein heilig Leben führn.
Nun, liebe Schwester! was begehrst du,
Was sollen wir dir itzo thun?
Die Treue Jesu, die erfährst du;
Vor unsren Reden wirst du ruhn.
Wir rufen dir nicht deinetwegen,
Allein um andrer willen, nach:
Geh hin in Jesu Christi Segen,
Der dir die Bahn des Glaubens brach.
Du mühtest dich, bevor du ruhtest,
Drum thut dir nun der Schlaf so gut.
Was Wunder! daß du itzt nicht blutest,
Du kämpftest ehmals bis aufs Blut.
Ebr. 12, 4.
Petroni, Seneca,
5 ihr streitet,
Wer sich den Tod am leichtsten macht;
Louyse hat den Preis erbeutet,
Sie schläft, indem sie ausgewacht.
Doch mag ein ungedungner Treiber
Auch dasmal nach Gewohnheit thun;
Der letzten Reden Jesu Schreiber
Kan in so schönem Gleis nicht ruhn.
[216]Ihr Jungfern, die ihr gleiche Fahne
Mit seliger Louysen ehrt,
Hört, Caroline, Bibiane,
6Und lernt, was sich für euch gehört.
Ihr sollt, so lieb euch eure Seelen,
Dem Bräutigam nicht untreu seyn,
Ihr sollt Ihm eurer Tempel Höhlen
Zugleich mit Leib und Seele weyhn,
Ihr sollt die Lust der Welt verleugnen,
Wir geben euch die Hände drauf;
So wird euch Gottes Lamm bezeichnen,
So ruhet ihr nach treuem Lauf.
Die ihr der Seligen Verwandte
Und Vater oder Mutter seyd,
Geschwister oder sonst Bekante,
Ermannet euch zum Glaubens-Streit,
Graf Heinrich Wilhelm! ohne Zweifel,
Ergeben Sie den Willen drein,
Ihr ganzes Haus entsagt dem Teufel,
Und nimt den Mann der Selgen ein!