2101. Zum 13. Aug. 1745.
Mel. Verliebter in die etc.
1.
Mein und der Anstalt aufs Lamm hin ihr auserwehltes herze! da hast du die Synagogyn, sie kost't dich blutgen schmerze. Wir leben über zwanzig jahr seit unsrer ersten kentniß in einem iedermann fürwahr unglaublichen verständniß.
2.
Wol neun jahr hat dis theure kind die pflege so gefühlet, daß sie gar mütterlich gesinnt ihr göttlich seyn bezielet; allein man fühlete sie auch so rauh und unflattirend, so g'rade hin, nach unserm brauch, in Jesu absicht führend.
3.
So bey dem mindesten aspect des auf die seite schielens, erzürnt, betrübet, und erschrekt; denn es galt keines spielens: daß sie bey aller heiligkeit sich vor dem ernst erschüttert, und eh man sünder ward, die zeit vor einander gezittert.
4.
Das gab denn, wie man leichte sieht, kein futter, das dem fleische geschmekt hätt, aber im gemüth die innigkeit, die keusche, die mehr als bluts-verwandschaft bindt, die liebe in dem herzen der kirchen-engel für dis kind der thränen und der schmerzen.
5.
Inzwischen wurden sie so schön, daß sie sich in zwey jahren in kirchen-gnaden dorften sehn, der wenig theilhaft waren. Erst wars ums ledige geschlecht von allen [1970] beyden seiten, das sich zum priester-amt und recht bequemlich ließ bereiten.
6.
Was wunder, daß das jahr darnach der Gott von unserm bunde uns etliche zu ältsten sprach mit seinem eignen munde: sie waren in der wahrheit dann als wunder eurer kirchen, die sich seitdem erst recht besann auf die gezogne fürchen.
7.
Ein solches grosses gnaden-wehn hatt' niemand fern und nahe von uns bis dahin noch gesehn, als wie man damals sähe. Es hat wol unser Bruders-kind 1 auch etwas auf die weise; nur daß es vor den wunden rinnt, ist alt wie eine greise.
8.
Zweyhundert jahr lang angesehn von tausend wunden-blikken, und kan sich in sein wohlergehn doch noch nicht völlig schikken: und also ist sein gnaden-grund, der funk in seinen zunder, und sein gefühl bey Jesu wund, kein solch erstaunlich wunder.
9.
Du aber wardst nach trokner zeit, bey ungemeinen mängeln und weniger gelegenheit der plan von Jesu engeln. Doch Jesu! doch war dieses herz, dis kleinod unsrer zeiten, da noch nicht sicher vor dem schmerz der veränderlichkeiten.
10.
Es gab noch einfluß der natur; es gab, beym ernst der treiber, doch auch noch eigen-willens spur, und flikwerk für die kleiber: ach ja! der theuren kirche muth, schon funfzig jahr gezogen, im sechzigsten noch nicht beblut't, hat noch zu leicht gewogen.
11.
Fünf jahr drauf fühlete sie hie die ersten liebes-zuge; mit sieben jahren machte sie das sacrament gefüge; im achten nährte sie ein blik aus zweyer märtrer kerker; im neunten krigte sie geschik und blut-schein in die erker.
12.
Da ward sie zwar ein selig weib in einem schönen hüttel; allein es fehlete dem leib der blut-besprengte kittel. So ging es in die weite naus, theils mit dem zeugen-wagen, theils gabs aus unserm ersten haus ein halb und halb verjagen.
13.
Das erste exulanten-jahr gab solche schwere stösse, daß man sich sahe, wie man war, in aller seiner blösse. Man nannte uns von aussen noch ein wunder der genaden; wir warens worden, aber doch blöd über manchen schaden.
[1971] 14.
Und in demselben augenblik, daß unser guts zerranne, warn wir auf einmal im geschik mit unserm seelen-manne. Was wir wol hundertmal gethönt, im herzen nicht gegleichet, das ward durchs blut, das uns versöhnt, auf einmal los geweichet.
15.
Bist du denn eine sünderin? Herr Jesu! ja. Sey selig! Da war die Böhmsche heldin hin, die Mährsche sündrin frölich. Nur hat sie manchen treuen mann, der sich für sie verzehret, zu sehr von dem momente an geliebet und verehret.
16.
Und das war eine neue noth: denn, mein Gott! creaturen die müssen doch in Christi tod, sonst kan man damit huren. Man sahe, daß das liebe volk ins Lammes kirch-plan bliebe, und mit dem strich der zeugen-wolk ganz ungehindert triebe.
17.
Bald ging die erste scheidung an nach den Antilln ins sterben; allein der führer unsrer bahn ließ den plan nicht verderben. Dies häuflein erst durchs wort gezeugt, und soltens weiter führen, die liessen sich vom kinde leicht zu kindern adoptiren.
18.
Wir trieben der Gemeine herz, daß man nun tieffer kante, in einen solchen herben schmerz, daß ihr die hütte brante. Sie brachte ihre tage zu in beben und in zittern; man ließ ihr in nichts keine ruh, was sich nur mochte wittern.
19.
Eh sie die grosse wanderschaft ins land der Wilden wagte, und ihr, dem ansehn nach, mehr kraft als schmelzungs-ernst behagte; da trieb man sie so enge ein, daß sie, die arme taube, must elend und verlassen seyn, und ohne priester-haube.
20.
Die wunder-wege, die das Lamm ihr dunkel gnug erklärte, die wurden eine neue flamm, die ihr gebein verzehrte: man ging ihr allerwege nach, und fand sie in der dürre, in einer grossen hütten-schmach, in mancherley gewirre.
21.
Doch auch als einen guten thon zu einer lampen-schaale, in einer präparation mehr als die vorgen male. Herr Jesu! was ward nicht die zeit für armuth, für erbarmen, seitdem die Mutter Abba schreyt, gesehen an uns armen.
22.
Kein menschen-mund sprichts iemals aus: befreyt[1972] von allem banne, kams kirchlein in der Mutter haus, zu seinem wahren Manne. Herr Jesu! der du meine seel und der Gemeine seele gesalbt hast mit gesellen- öl, daß ich dirs nicht verhele:
23.
Wir sitzen noch bis diesen tag zuweilen in der aschen: man weiß, man ist von aller plag und sünde rein gewaschen; es hat nur deine liebe taub, des Heilgen Geistes mündel, zu reingen an der füsse staub, so ist es ein gut kindel.
24.
Ach! aber der hat sich so vest ins bein hinein gefressen, daß, wenn man wäscht aufs allerbest, sitzts manchmal wies gesessen; und dennoch ists zu deiner kirch, der engel gnädgen frauen, und deines vaters lieben schnürch, aus deinem leib gehauen.
25.
Die Mutter hat es dir so gar versprochen aufzuziehen, und macht schon siebenhundert jahr und dauret sie kein mühen. Von seiner güldnen Lesse 2 her, die noch so ziemlich trokken, läßt es sich immer mehr und mehr ins blutge tränklein brokken.
26.
Je öfter man anitzt zurük in seine hütte kommen, je mehr sieht mans vom wunden-blik des Lammes übernommen. Ach Mutter! wende alle treu aufs Lämmleins seiner riebe verhüllung in ihr priester-kleid, geschik im zeugen-triebe.
27.
Und du, sein auserwehlter Mann! wirst es deins Vaters halben, mehr als man sichs verbilden kan, lieb haben, schmükken, salben. Allmächtiger und wahrer Gott, du Schöpfer aller dinge, du mein Versöhner weiß und roth! hilff, daß es ihm gelinge;
28.
Beweise deine wunder-kraft, und thu von deinem öle in deiner kirche lebens-saft, zur heilgung ihrer seele. So wahr wir leben, wird sie dir und keinem andern leben; wir trauen dir, du wirst es ihr nach deiner allmacht geben.
29.
Denn deine treu ist wohl bekant, und daß du deinen willen, an einem, das dir nah verwandt, nicht soltest wolln erfüllen; das kan ich nimmermehr verstehn. Haupt, herze, händ und füsse sind da, mit ihrem Mann zu gehn, wohin er sie auch hiesse.
30.
O du Vater von unserm Mann! laß ihn nicht wieder kommen, du habst denn seinen ganzen plan in deine[1973] hand genommen; du sehest denn den letzten grad der heiligung der chöre nach deinem vollenkommnen rath und den sieg ihrer heere.
31.
Gemeine! geh denn stille hin in deiner vorbereitung auf all's, was deiner Mutter sinn noch denkt von deiner leitung; sie forme dich dem ganzen leib des Lamms zu einem heile, dem Lamm zum jungfräulichen weib, zuletzt zum Lammes-fräule.