91. Auf König Friedrich den Fünften, da ihm sein Hofmeister zugeordnet ward
1730.
Prinz! der erstgeborne Sohn
Des unendlichen Monarchen,
Sitzt zur rechten Hand im Thron,
Und ist Noah von den Archen,
[250]Wo die Menschen vor den Stürmen
Dieses Welt-Laufs sicher ruhn;
Und Sein Arm hat Macht zu schirmen
Alle die sich zu Ihm thun.
War Er gleich ein Potentat,
Der dem Erb-Recht nach regierte,
Der im hohen Wächter-Rath
Von Geburt den Scepter führte;
Doch beschloß der Herr und Er,
Daß der Erb-Herr aller Seelen
Nirgends anders König wär
Als bey denen, die Ihn wehlen.
Freude war Ihm zugedacht:
Aber Ihm gefiel das Leiden;
Und des ewgen Felsen Pracht
Setzt Er dran im Thal zu weiden.
Was ein Mensch erfahren kan,
Das auch einen Stein bewegte,
Nahm Er alles auf und an,
Bis man Ihn aufs Creutze legte.
Erb-Prinz von der Krone Dan,
(Der die Kronen von den Reichen,
Seit den Kindern Canaan,
Altershalb die Segel streichen:)
Diesem ist dein Königs Thron
Allzu neu und allzu enge:
Seiner Stimme schwächster Ton
Bringt den Abgrund ins Gedränge.
Christian, des Königs Sohn,
Träget seinen schönen Namen:
Und sein Herze regt sich schon
Zu dem unbekanten Samen
Dieses Königs, seines Herrn;
Seine Majestätsche Sonne
[251]Neigt sich vor dem Morgen-Stern,
Jener Weisen grosser Wonne.
Friedrich, wilst du mit der Zeit,
Wann dein Vater Christi Kriege
Ausgeführt zur Ewigkeit,
Und so manch Gericht zum Siege,
Wilst du sein Vollender seyn,
Und am Tempel Gottes bauen?
Soll die heilige Gemein
Gottes Wunder an dir schauen?
Denke deiner Hoheit nicht,
Setz die Majestät ins Dunkle:
Aber in dem wahren Licht
Neuer Zeugung, brenn und funkle.
Liebe nicht die Herrlichkeit,
Die ein Harpax nach kan machen,
Wenn er nicht die Kosten scheut,
Drüber oft die Diener lachen.
Setze deinen tapfern Muth
Nicht in Alexanders Thaten,
Nicht in abgedrungnes Gut
Deines Volks und fremder Staaten.
Solcher Herrschaft kommt uns für
Als ein stolzer Gang auf Stelzen:
Jener, eh er so regier,
Wolt er lieber Fässer welzen.
Drum du künftger Steuer-Mann,
Daß dein Schif in Hafen fahre,
Nim die weise Ordnung an,
Der Pythagoräer Jahre.
Spricht ein solcher Prinz wie du,
Wird ein jedes Wort erhoben
Nimt er in der Stille zu,
Wird das Werk den Meister loben.
[252]Fasse den gewissen Schluß,
Und vielleicht ist er gefasset,
Daß ein Weiser lieben muß,
Was ein Thor am meisten hasset;
Daß er nichts für würdig hält,
Ihm nur reiflich nachzudenken,
Als was nach dem Sinn der Welt
Um ein leichtes wegzuschenken.
Such den Einen, und weil Er
Dich vermutlich schon gefunden,
Prinz! ich meyne Diesen, der
Deiner Eltern Herz gebunden,
Sag Ihm ohne Aufenthalt:
Jeglicher hat sein Gefallen;
Aber ich will alsobald,
Herr! auf Deinen Wegen wallen.
Königs-Kind! ich weiß gewiß,
Wenn dich dieser Meister führet,
Und als fünften Friederich
Auch dereinst mit Kronen zieret:
Wirst du deiner Dienerschaft
Selbst zum Schauspiel dienen können,
Aber auch mit Helden-Kraft,
Alle Feinde Gottes trennen.
Der der Esthern Kämmrer ist,
Die zur Gottheit Lust-Spiel dienen,
Dem du übergeben bist,
Seit du auf der Welt erschienen,
Sey dein Ober-Gouverneur,
Und der andre,
1 den ich liebe,
Gebe Seinem Wink Gehör,
Und formire deine Triebe.
[253]Wachse nun, du Götter-Sohn,
Zu des Anherrn grosser Freude,
Zier des Vaters Helden-Thron,
Sey der Mutter Augen-Weide!
Deiner Tugend freue sich
Lois auf dem Stern-Altane,
Carl, Charlotte, Hedewig,
Und Sophie Christiane.
Werd ein solches leeres Nichts,
Das der Schöpfer könne füllen:
Denn es führt der Rath des Lichts
Den unwandelbaren Willen,
Daß, was groß und herrlich ist,
Seiner Füsse Schemel ziere;
Was sich aber selbst vergißt,
Ihm an Herz und Augen rühre.