8. An Weyhnachten

1720.


Blut und Wunden,
Haben uns mit Gott verbunden;
Denn Er ehrte unser Blut.
Er ließ sich damit vermählen
Und zu denen Menschen zehlen;
Das macht unsern Schaden gut.
Wer erzittert,
Daß er seinen Gott erbittert;
Springe itzt voll Freuden her,
Und erseh, in dieser Wiegen,
Gott den armen Menschen liegen:
Seine Hand ist nicht zu schwer.
Diese Hände
Segnen aller Erden Ende;
Diese sind dieselbe Statt,
[23]
Wo Er aller Menschen Seelen,
Die Ihn zum Erlöser wehlen,
Treulich aufgezeichnet hat.
Diese Augen
Müssen zur Gesundheit taugen,
Wem die Sünde weh gethan,
Sehe auf zu dieser Schlangen,
Und, voll Glauben und Verlangen,
Ihre holden Augen an.
Diese Ohren
Lassen sich für uns durchbohren
An des Vaters Gnaden-Thür;
Und der König der Geschlechte
Wird dadurch zu einem Knechte,
In dem irdischen Revier.
Diesem Munde,
Welcher sonst zu aller Stunde
Seinen Vater für uns bat,
Schmekket itzt, nach Menschen-Weise,
Eine gar geringe Speise;
Weil er Durst und Hunger hat.
Dieser Othen,
Welcher dermaleins den Todten
Lebens-Geister geben kan,
Scheinet itzund kaum zu wehen,
Und soll noch dazu vergehen,
Beym Beschluß der Lebens-Bahn.
Diesen Füssen,
Die sich kaum zu regen wissen,
Muß des alten Drachen Wut
Annoch in die Fersen stechen,
Bis sie sich vollkommen rächen
An dem Kopf der Schlangen-Brut.
[24]
Diese Thränen,
Welche sich nach Labung sehnen,
Werden für der Menschen Schuld
Sich noch oftermals ergiessen
Und gleich einem Blut-Strom fliessen
Von der ewigen Geduld.
Dieser Rükken
Wird sich zu dem Creutze bükken,
Wann die Leidens-Zeit regiert,
Und der Ruthen Schläg empfinden,
Welche unsre Bosheit binden
Und ein Mord-Kind führen wird.
Aus der Seiten
Werden in den letzten Zeiten
Blut- und Wasser-Ströme gehn,
Uns zu waschen und zu heilen,
Uns Erquikkung mitzutheilen,
Die wir so verlassen stehn.
Dieses Herze
Reget sich mit Müh und Schmerze,
Und wie sacht es itzo schlägt,
So durchdringend wird es brechen,
Und die armen Herzen rächen,
Die der Seelen-Feind erlegt.
Neu-gebornes
Und von Ewigkeit erkornes,
Auserwehltes Gnaden-Kind!
Höre, wie die Menschenkinder,
Die entblösten armen Sünder,
Ueber Dir erfreuet sind.
Sie umfangen
Voller Liebe Deine Wangen,
Ja sie küssen Deinen Mund:
[25]
Dein noch unverständlichs Lallen
Muß den Seelen süsse schallen,
Die der Schlangen Zahn verwundt.
Sie erheben
Dein kaum angegangnes Leben,
Sie sind voller Glaubens-Lust:
Daß Du in den Gnaden-Zeiten
Ihnen solch ein Spiel bereiten
Und ein Kindlein werden mußt.
Herzens-Knabe,
Aller Erden Gut und Haabe
Ist nur Unflat gegen Dich:
Du kanst mit ganz wenig Blikken
Millionenmal erquikken;
Wirf auch einen Blik auf mich.
Laß beyzeiten
Alle andre Eitelkeiten
Mir aus den Gedanken gehn.
Will sich fremde Lust erregen
Und zur Sünde mich bewegen;
Laß mich auf Dein Kripplein sehn;
Da Du König,
Dem die Erde unterthänig,
Und der Himmel eigen ist;
So gar elend, und auf Wegen
Die kein Mensch betreten mögen,
Bey uns eingewohnet bist.
Holde Hände,
Nehmt mich auf am letzten Ende;
Denn ich werde nach euch sehn,
Wenn ich als ein Kind gen Himmel
Aus dem furchtbaren Getümmel
Dieser Erden werde gehn.
[26]

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TextGrid Repository (2012). Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von. Gedichte. Teutsche Gedichte. 8. An Weyhnachten. 8. An Weyhnachten. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B7E7-A