[2248] 2348. Das Te Pleuram

Erstes Chor.

Ehre dem Seiten-Schrein!
Daß du dir eine heilge Seit
Alle engel und himmels-heer
Doch dekken sie ihr angesicht
Allein das Kirchlein, Jesu braut,
So blikt es in den sonnenschein,
Zweytes Chor.

Dank hab, o Lämmlein,
Ließst öffnen, wo nicht alle beyd.
Sehn mit respect aufs Loch vom speer;
Gar bald vor dem rubinen-licht:
Weils draus gegraben und gebaut;
Ohne perplex davon zu seyn.
B.

Pax Tibi, Gloria,
Cultus, Memoria,
Tu Pallor Faucium,
Ave Cor faucium!
Erstes Chor.
1.
Fahr hin, mein herz, ins Seitelein,
Zu seiner zeit fährts haus der seel
Zweytes Chor.

Tieff, tieff, ich sage, tieff hinein,
Gut Luthersch nach zur Seiten-höhl.
Erstes Chor.
2.
Es ist ihm schon ganz zitterlich,
Zum Seiten-teich 'nein schwimmerlich,
Zweytes Chor.

Vor liebes-fieber schütterlich,
Ums weggeküßt seyn wimmerlich.
Erstes Chor.
3.
Was sich im traum darinn gesehn,
[2249]
Kurz, der magnet der heilgen Seit
Zweytes Chor.

Das wünscht nicht wieder aufzustehn,
Zieht über himmel und erde weit.
Erstes Chor.
4.
Wenns Lämmlein sichtbarlich erscheint,
Ist die vom speer gespaltne stätt'
Zweytes Chor.

Und die welt um die fels-kluft weint;
Der ordens-stern, der Ihn verräth.
Erstes Chor.
5.
Das lebendige blut der Seit,
Fürst Jesajahu sah die wund
Zweytes Chor.

Das thönt, und thönt: Barmherzigkeit!
Durchs perspectiv im alten bund.
Erstes Chor.
6.
Schaut auf, und seht die felsen-kluft,
Daraus ihr auserwehlte leut
Zweytes Chor.

Und in der kluft die brunnen-gruft,
Gegraben und gehauen seyd.
Erstes Chor.
7.
Ein andrer redt von täubelein,
Der dritte spricht: es wird geschehn,
Zweytes Chor.

Die in der Horte drinne seyn.
Daß alle die speer-schramme sehn.
Erstes Chor.
8.
Johann, des Lämmleins cammerad,
Wie er im Söller wandeln ging,
Zweytes Chor.

Sah's, wie man sie geöffnet hat,
Unds Evangelium anfing.
Erstes Chor.
9.
Es donnert, sagte der scribent,
Ueber den heilgen Seiten-Schrein,
Zweytes Chor.

Wies aber kam zum Instrument
Wird er meist weggeblieben seyn.
[2250] Erstes Chor.
10.
Dem Lamm floß, diesen stand das blut,
Die apostel des Herren sahn
Zweytes Chor.

Mags doch seyn, es thut gleichwol gut.
Sich die Seite erstaunlich an.
Erstes Chor.
11.
Thomas hat gar darein gefühlt,
Augenbliks war das echo da,
Zweytes Chor.

Und in den winkeln 'rum gewühlt:
Mein Meister! und mein Jehovah!
Erstes Chor.
12.
Jetzt rufft die fühlende Gemein:
Zweytes Chor.

Ehre dem heilgen Seiten-Schrein!
Erstes Chor.
13.
Ob wir gleich alle wunden ehr'n,
So bleibst du doch, o Seitelein,
Zweytes Chor.

Und an dem ganzen leichnam zehr'n:
Der central-punct der herzelein.
Erstes Chor.
14.
Als das neue werk Gott's entstand,
Und auf desselben herzens-stätt
Zweytes Chor.

Daß die Fraue den Mann umspannt,
Sich die streu macht zum wochen-bett,
Erstes Chor.
15.
Und Gott Mutter durchs Mannes Weh
Das zum ersten, die Mutter brach,
Zweytes Chor.

Mit der seele Pleromate,
Fertig war hinterm Seitenfach,
Erstes Chor.
16.
Rieff der Kreister: es ist vollbracht!
Und gebahr Gottes Marter-schaaf
Zweytes Chor.

Straks ward die Seite aufgemacht,
Seine geliebte Sie im schlaf.
[2251] Erstes Chor.
17.
Das sind wir arme kindelein,
Die aber Jesu wunden-blum
Zweytes Chor.

Die in sich nichts als sünde seyn;
Durchräuchert hat zum heiligthum,
Erstes Chor.
18.
Um fleisch vom Leichnam Jesulein
Sein ander ich,
Zweytes Chor.

Und theilgen seiner Pleur zu seyn,
Ein Geist und Bein.
Erstes Chor.
19.
Wir sind sonst wohl verschloßne leut,
Weil jedes zu der mutter-stadt
Zweytes Chor.

Doch nicht zum präjudiz der Seit,
Seine besondre andacht hat.
Erstes Chor.
20.
Wir leb'n in leichnams-lüftelein;
Wenn sieben achtel in der Seit,
Zweytes Chor.

Wir nährn uns aus dem Seitelein;
Wie viel bleibt übrig für die zeit?
Erstes Chor.
21.
Bald rieselts Seitlein wie ein fluß,
Bald ists ein schiff des kircheleins,
Zweytes Chor.

Bald strudelts wie ein Euripus,
Bald eine wiege für ein klein's.
Erstes Chor.
22.
Bald ists uns bank und tischelein,
Bald ist es meine ganz allein,
Zweytes Chor.

Bald ein priester-weyh-büschelein,
Bald hol ich einen Mobb 1 herein.
Erstes Chor.
23.
Und am ende von aller noth
[2252]
Was Recht mein leib zur erde hat,
Zweytes Chor.

Sprech ich zu meinem lieben Gott:
Denn es ist seine mutter-stadt;
Erstes Chor.
24.
Das hab ich armes seelgen wohl
Wo mich Gott Mutter 'raus gebahr,
Zweytes Chor.

Natürlicher zur Seiten-hohl,
Da Jesus an dem creutze war.
Erstes Chor.
25.
Täglich Gotts Höhlgen, singen wir,
Wie käm man sonst zum Manne 'nein,
Zweytes Chor.

Und verwünschen uns hin zu dir,
Der die seelen heißt in ihm seyn.
Erstes Chor.
26.
Bleibt ihr in mir und ich in euch!
Zweytes Chor.

Wenn Du da bist, wir bleiben gleich.
Erstes Chor.
27.
Die ganze Gottheit der Gemein
Das puntum der religion
Zweytes Chor.

Resolvirt sich vom Seitelein,
Bleibts wenigstens in der Aeon.
Erstes Chor.
28.
Den ein geschöpf sonst siehet nie,
Was Paulus unaussprechlichs sah,
Zweytes Chor.

Dem hält man da die Liturgie;
Hat man im Höhlgen alles da.
Erstes Chor.
29.
Wo Gott, der werthe heilge Geist,
Daß zwanzigtausend sünderlein.
Zweytes Chor.

So angelegentlich drauf weißt,
Schon Seiten-Höhlgens-herzel seyn,
Erstes Chor.
30.
Daß noch zu keiner kirchen-zeit
[2253]
Und daß man deutlich sehen kan,
Zweytes Chor.

So blutig funkelte die Seit,
Das Seitlein geht den geist was an.
Erstes Chor.
31.
Nun theure Pleur sey hergeglaubt,
Daß ihm die härlein berg-auf stehn,
Zweytes Chor.

Sikkr' unser jedem auf sein haupt,
Daß ihm das geistel mögt entgehn.
Erstes Chor.
32.
Du aber laß es drum nicht fort,
Doch daß kein jahr uns stumpf sehn mag,
Zweytes Chor.

Und küß es wieder an sein'n ort,
Nec sine linea ein tag.
Erstes Chor.
33.
Vor meine part, o Seitelein,
Zweytes Chor.

Du sollst mein ein und alles seyn;
B.

Und die Brüder-Kirch ist geweyht
Zum Filial der heilgen Seit.

Fußnoten

1 alles untereinander, nach Luc. 14, 23.

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TextGrid Repository (2012). Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von. Gedichte. Zugaben 1-4 zum Herrnhuter Gesangbuch 1743. 4. Zugabe. 2348. Das Te Pleuram. 2348. Das Te Pleuram. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-BAF4-E