[161] 58. Auf den grossen Evangelisten, August Hermann Franken

1727.


Hier legt mein Sinn sich zu den Füssen nieder,
Die ich vordem mit Thränen stark benetzt,
Als sich der Geist mit dem Gesetz der Glieder,
Und mit der Welt auf allezeit geletzt.
Anbetungs-würdigs Wesen! was hast Du dir erlesen,
Was war ich Stäublein, ich?
Nicht nur allein mich liessest Du genesen;
Du wektest auch viel Schlafende durch mich.
Hier liegt das Amt, ich meyne diese Krone,
Dort bükte sie, hier schmükket sie mich gar:
Wie komm ich doch zu einem solchen Lohne,
Der ich schon dort ein Faß zu Ehren war?
Ich habe wol gestritten, ich habe was gelitten,
Was ists? Du Menschen-Sohn!
Ein Herr, wie Du, darf nicht um Diener bitten:
Dir dienen, das ist schon ein Gnaden-Lohn.
O Majestät! darf ich mich unterwinden,
So zeig ich mich zuerst, als Deine Braut.
Der Knecht wird auch was zu erzehlen finden,
Was Du durch ihn geredt, gezahlt, gebaut.
Doch Deine Bräutgams-Triebe, Du auserwehlte Liebe!
Gehn allen andren vor.
Was wärs, wenn mich mein Werk vor Menschen hübe,
Und hätt' an Dir gehandelt, als ein Thor?
Du hast mich, zwar nicht gleich, doch bald gebunden,
Und von der Zeit blieb Dir mein Herze treu;
Da Deine Kraft den Zweifel überwunden,
Umarmte dich mein Glauben ohne Scheu.
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Und der getreue Hüter der himmlischen Gemüther,
Der Geist der Herrlichkeit,
Verschloß vor mir die Welt und ihre Güter,
Und that mir auf die Thür der Gnaden-Zeit.
Ich hieß gelehrt, ich hatte viel gesehen,
Der Menschen Gunst und Gaben hatt' ich auch:
Doch das zerstob vor Deines Geistes Wehen.
Diß lehrte mich des Himmelreichs Gebrauch:
Wo eigne Kraft begraben, und wo wir nichts mehr haben,
Als aus des Königs Hand;
Erzeigen sich zum Nutz besondre Gaben,
Die werden mit dem Geist herab gesandt.
Kaum brachte mich mein Hüter in die Kammer,
So sah ich Dich am Creutz, mein Bräutigam:
Mein Herze ward auf diesen Blik voll Jammer;
Denn ich verdiente ja den rauhen Stamm.
Ey, dacht ich, treue Liebe! so oft ich böses übe,
Empfindst Du neue Pein;
Hinweg mit euch, ihr mörderischen Triebe,
Ich will ein Knecht der heilgen Liebe seyn!
So wolle nichts, erinnerte mein Meister,
So werd ein Kind, so thu die Augen zu,
So wirf dich hin dem Vater aller Geister,
Und eh Er wirkt, so bleib in stiller Ruh.
Verlerne die Gelahrheit, und suche meine Klarheit,
So will ich dich erhöhn.
Ich offenbare mich dir, ich die Wahrheit,
Und lehre deinen Fuß auf Felsen stehn.
Ich thats. Und Du gedachtest Deiner Worte,
Du sandtest mir die Weisheit Deines Throns.
Du zeigtest mir den Pfad zur engen Pforte,
Die Herz-Bewegungs-Kraft des Menschen-Sohns.
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Die falsch-berühmten Weiden lernt man nicht besser meiden,
Als auf der Gnaden-Au.
Du öffnetest die hohe Schul der Leiden,
Das war der Grund zu einem Wunder-Bau.
Da ward ich nun in Deinem Hause Sprecher,
Ich predigte, was Wort und Geist gebot.
Er sagts ins Ohr, ich bracht es auf die Dächer.
Insonderheit erhub ich Deinen Tod,
Der alle Seelen ziehe, ich gab mir wenig Mühe
Um die Philosophie.
Ich zeigte nur, wie unser Herz erglühe,
Wenns Deine Lieb aus dem Verderben zieh.
Das Wort vom Creutz mußt alles niederbohren,
In Leipzig schon, in Erfurt und in Glauch',
Es bändigte die frechesten Halloren,
Der Pfäfferey zerriß es ihren Bauch.
Es ward ein Gift der Sünden, ein Staar-Stich für die Blinden,
Der Welt ein Donner-Strahl,
Den Kämpfenden ein Schwerdt zum Ueberwinden,
Den Weinenden ein Seelen-Abendmahl.
Die Friedrichs-Schul ward aufgeklärt und heiter,
Ein Waysen-Haus stieg über die Natur;
Das Wort vom Creutz drang alle Tage weiter;
Man half dem Volk durch Schriften auf die Spur.
Die Wahrheits-Zeugen schritten hinüber zu den Britten,
In Scandinavien,
Auch rissen sie ins Reich der Moscowiten,
Und endlich fuhren sie in Indien.
Das Lob und Schmach sind gar genau verschwestert:
Bald wird uns diß, bald jenes eingeraunt.
Johannes ward den Augenblik gelästert,
Und bald darauf für Christum ausposaunt.
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Itzt galt der Heiland wenig, in kurzem hieß Er König.
So geht es in der Welt.
Da heißt es recht: Itzt rühm ich, morgen höhn ich.
Wohl dem, der nichts auf alles beides hält!
Ans Creutz geheft' und nun gekrönte Wahrheit!
Hier bring ich Dir die ausgestandne Schmach.
Der zarte Staub aus der verblichnen Klarheit,
Der zieht sich nun der neuen Sonnen nach.
Nur Ruhm, und Ehren-Titel sind zu dem Todten-Kittel
Und auf Papier gestreut.
Ja säh' ich nicht Dein Antlitz ohne Mittel,
Sie irrten mich wol in der Ewigkeit.
Hier schmieg ich mich, mein Freund! zu Deinen Füssen,
O König! nim mich gegen sie in Schutz.
Ich möchte gern in Deinem Ruhm zerfliessen:
Der Menschen Ruhm beut Deiner Ehre Trutz.
Du schweigtest meine Richter: wer schweiget nun die Tichter
Von meiner Ehren-Bahn:
Was war ich dann? ein Tocht, o Licht der Lichter!
Du zündetest, und also brant ich an.
Beruhige, du grosser Ruhig-Macher,
Wen mein Verlust zu sehr beweget hat.
Verstärke doch das Herz gewisser Schwacher:
Sie hielten sich an mich; nun sind sie matt.
Ich habe gnug gepredigt: Wie uns der Sohn erledigt,
Nichts sey ich, Er seys gar;
Ein Menschen-Bau der werde leicht beschädigt.
Das zeuge mir einst meiner Kinder Schaar!
So ruh ich nun, mein Heil! in Deinen Armen,
Du selbst solt mir ein ew'ger Friede seyn.
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Mein Element sey einzig Dein Erbarmen, 1
Ich gehe nun in Deinen Sabbath ein.
Der Tod hat nichts zerbrochen, als ausgezehrte Knochen,
Die liegen, und nicht ich.
Ich sehe Dich, da jene drein gestochen,
Und trink aus Deinen Wunden dürstiglich.

Fußnoten

1 Letzte Worte des Liedes: Mein Salomo, Dein freundliches Regieren stillt alles Weh, etc.

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TextGrid Repository (2012). Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von. Gedichte. Teutsche Gedichte. 58. Auf den grossen Evangelisten, August Hermann Franken. 58. Auf den grossen Evangelisten, August Hermann Franken. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-BB93-2