81. Auf ein Ehe-Jubiläum zu Groß-Hennersdorf
1729.
O Salomo! hie sind die Menschen-Kinder,
Die haben sich schon funfzig Jahr geliebt,
In Freud und Leid gemeynet und geübt.
Wie lange ists, Du Seelen-Ueberwinder,
[226]Daß Du uns überredt und wirs gewagt,
Daß wir die Eh einander zugesagt!
O grosser Gott! wie viele sind vorhanden,
Die Dich als Gott in Wahrheit angebet't,
Die Dich als Herrn von Herzen angeredt,
Die Deine Meisterschaft im Geist verstanden:
Wer ist, der Deine Hirten-Stäbe kennt,
Wer aber, der Dich Lieb in Wollust nennt?
Ach Liebe! ach die meisten Menschen gehen
Mit hohem Aug und krummer Seele hin,
Sie haben einen niederträchtgen Sinn,
Und lassen sich auch nicht zu Dir erhöhen.
Die Leiter zu dem Himmel heisset Creutz,
Und diesem Steg entweicht man allerseits.
Des Creutzes Stamm ist von dem Fluch gerissen,
Er ist den Seelen nun ein Segens-Holz:
Allein der Creatur verwegner Stolz
Greifft nach der Lust, und tritt das Creutz mit Füssen.
Der Heiland hatte einen andern Sinn:
Er nahm die Angst für alle Freude hin.
Herr! der Du dich noch niemals satt geliebet,
Sieh mit Barmherzigkeit die Alten an,
Die Alten, die nicht viel in Gott gethan,
Obschon sie sich im Aeussern viel geübet:
Die Wolke Deiner Zeugen um sie her,
Die sähe gern, daß ihnen besser wär.
Uns aber alle, die wir Dich errungen,
Zu denen man nicht sagt: Erkennt den Herrn,
Seitdem wir Dich erblikt, du Morgenstern,
Uns, welchen Du so liebreich zugesprungen,
Uns schmükke auf den grossen Hochzeit-Tag,
Den niemand ohne Schmuk besuchen mag.