41. Ueber die Ruhe des Gemüths

1725.


Wie wohl ist einer solchen Seele,
Die Jesum Christum in sich hat!
Wird gleich die äußre Leibes-Höhle
Von mancher Arbeit müd und matt;
So steht der Geist doch ungebunden,
Und hat den Quell der Freude funden:
Und zwar die Freud in süsser Still;
Denn das ist eine schlechte Freude,
Solange man die Seelen-Weide
In lauter Unruh suchen will.
Drum kan kein Menschen-Kind ergründen,
Wie gut mans erst bey Jesu trift.
Man schleppet sich mit seinen Sünden,
Man isset überzukkert Gift,
Und meynt, man hab es wohl getroffen,
Wenn man sich endlich was erloffen,
Das einer für ein Glük erkennt.
Allein, wer will uns glauben machen,
Daß man auf Erden alle Sachen
Bey ihrem rechten Namen nennt?
Das weiß ich wohl, wenn ein Studente,
Der im Register noch zurük,
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Ein gutes Amt errennen könte,
Das hielt er für ein grosses Glük.
Doch ist die Weyhe kaum empfangen,
Die Wirthschaft folglich angefangen,
Das erste Amts-Jahr bald vorbey;
So kan ein zeitlichs Lamentiren,
Die Expectanten überführen,
Daß dieses Glük vergänglich sey.
Vom Lehr-Amt auf den Stand zu kommen,
Der das Regierungs-Ruder führt:
Was wird nicht oftmals vorgenommen,
Damit man auch einmal regiert.
Warum? Es ist ein Glük zu nennen,
Wo wenige das Ziel errennen.
Trift einer nur zum Ziele zu;
So sucht er etwas anzukaufen,
Daselbst zuweilen zu verschnaufen,
Und setzt sich endlich gar zur Ruh.
Der Nehr-Stand hat das Recht bekommen,
Den nennt man eigentlich ein Glük,
Wann eine einen Mann genommen.
Allein man rechne nur zurük;
Wo ist wol eine unter allen,
Die in das Ehe-Netz gefallen,
Darein so manche Hoffnung kirrt,
Von ihrem Glükke so bethöret,
Die, wenn man sie frey sprechen höret,
Nicht andre Leute warnen wird?
Wie kommts dann, daß man Leute siehet,
Nur, daß man sie gar selten findt,
Die weder sich ums Amt bemühet,
Noch, wenn sies haben, schwürig sind?
Das macht, weil sie im Lehrer-Orden
Nicht erstlich Jesu Jünger worden,
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Und nun von Ihm gerufen seyn,
Ist ihnen wenig dran gelegen,
Wie stark der Beicht- und Decem-Segen,
Sie samlen sich nur Seelen ein.
Auch gibt es Gott bekante Namen,
Der Welt hingegen sind sie fremd,
Die weder auf durchleuchtgen Samen,
Noch eigne Tugend sich gestämmt,
Die sich des Crocodils der Ehren
Mit einer schnellen Flucht erwehren,
Und also vest verpanzert sind,
Daß er wol an sie anzudringen,
Nicht aber sie hinein zu schlingen
Gelegenheit und Kräfte findt.
Die Ehe kennet auch Personen,
Allein in gar geringer Zahl,
Die seliglich beysammen wohnen,
Und leiten sich durchs Jammerthal,
In deren auserwehlten Bunde
Die Gnade Christi steht zum Grunde,
Und welche Ihn und die Gemein,
An sich als Lebens-vollen Bildern,
So glüklich wissen abzuschildern,
Daß sie nicht zu verkennen seyn.
So kommt es dann in allen Sachen
Auf Grund und Unterstellung an;
Die können Häuser stehen machen,
Um die es ausser dem gethan.
Herr, der du unser Herze kennest,
Und nach dem Wohl der Menschen brennest,
Wie glüklich wird man durch den Sinn,
Der Dir sein Ganzes anvertrauet,
Und alles auf die Gnade bauet,
Und gibt es unbesehens hin!
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TextGrid Repository (2012). Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von. Gedichte. Teutsche Gedichte. 41. Ueber die Ruhe des Gemüths. 41. Ueber die Ruhe des Gemüths. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-BC1D-6