17. Auf die Heimführung der Gräfin Theodore Reußin, geb Gräfin zu Castell, nach Ebersdorf

1722.


Mein Bruder, gönne mir, daß ich von ferne her
Noch eines Freundes Herz mit deinem Geist verbinde,
[44]
Und dich mit einem Blat voll lautrer Liebe ehr:
Es kommt nicht eher an, damit es Musse finde.
So hat dich Ebersdorf nun wiederum erlangt,
Und schließt dich veste ein mit deiner Theodoren:
Dein liebes Land, das längst mit vielem Guten prangt,
Erfreut sich, daß dir Gott das Beste selbst erkoren.
Die theure Mutter wird voll Lobs und Dankens seyn;
Die Schwestern voller Trost, die Freunde voll Vergnügen;
Die Diener stimmen ja vermuthlich alle ein;
Und jeder Redliche; ein Dank-Lied beyzufügen.
Es fehlet auch gewiß an guten Wünschen nicht;
Und wenn du beten hilfst, Gott wird sie alle hören.
Ich leistete vorhin die brüderliche Pflicht,
Und itzo soll dis Wort auch seinen Leser lehren.
Es war das Lobe-Lied der Sache ganz gemäß,
Darinn ich zu Castell die Wunder Gottes priese.
Der eine tadelte, der andre rühmte es,
Womit sich der Verstand von solchen Sachen wiese.
Indessen weil es doch noch Kinder Gottes hat,
Die ihres Vaters Hand zu küssen sich bequemen;
So widerhole ichs mit wohlbedachtem Rath,
Die Treuen zu erfreun, die andren zu beschämen.

Aria.

Welche nach der geschehenen Verlobung zu Castell abgesungen wurde.

Wie bist Du so wunderbar, grosser Regente,
Der Himmel und Erde und alles bewegt!
Ach wenn doch die Menschheit Dein Wesen erkennte;
So würde dem Sorgen das Handwerk gelegt:
Der Eigensinn müßte, wie andere Lüste,
Dem Vater im Himmel, dem Schöpfer der Erden,
Geopfert, und also gebändiget werden.
[45]
Die Klugheit Ahitophels mußte vernarren,
Sobald sie mit David dem Gottes-Mann stritt':
Die Weisheit der Menschen muß gleichfalls erstarren,
Sobald ein Kind Gottes den Schauplatz betritt.
Die göttlichen Thoren sind weiser geboren,
Als alle die Weisen, die unter den Sternen,
Mit Mühe und Arbeit ihr Wissen erlernen.
Das siehet und höret der elende Haufe
Der Klugen, die Christus zu Narren gemacht,
Und stehet nicht still im vergeblichen Laufe,
Bemüht sich hingegen bey Tag und bey Nacht,
Vom Abend zum Morgen, vermehrt sich sein Sorgen
Und endlich bekomt er von gestern und heute
Das Warten der künftigen Dinge zur Beute.
Die Christen sind stille und lassen Den machen,
Der ihnen als Vater mit Rechte befiehlt;
Die anderen sehens, und spotten, und lachen,
Daß Gott mit den Seinen so wunderlich spielt.
Und dieser erscheinet, wenns niemand vermeynet,
Und hebt sich in seinen gemessenen Schranken
Weit über der Menschen Vernunft und Gedanken.
Frolokket ihr Kinder der ewigen Liebe,
Ihr werdet zum Wunder und Zeichen gesetzt:
Der Vater entbrennet vor herzlichem Triebe,
Sobald ihr die Wangen mit Thränen benetzt.
Er hört ja im Himmel der Erden Getümmel,
Dafür sich die himmlisch-gesinneten Seelen,
Die stolze Behausung der Ruhe erwehlen.
So hat sich bey Christen ein jeglicher Morgen
Auf seine Bedürfnis alleine geschikt:
Wie kommt es dann, daß man die leidigen Sorgen
Bey Kindern der Menschen so häuffig erblikt?
Weil diese sich selber, und güldene Kälber,
Zu ihren ohnmächtigen Göttern erwehlen,
So stehet es diesen wohl an sich zu quälen.
[46]
Die Wunderthat, die in verwichenen Tagen,
Im Reuß- und Castellischen Hause geschehn.
Wird alle in ihrem Gewissen verklagen,
Die Gottes Werk ohne Verwunderung sehn:
Wer hätte die Sachen verwirreter machen
Und dennoch so seliglich endigen können,
Als Er, den wir Vater und Wunderbar nennen?
Er hat an dem Bräutigam Grosses bewiesen,
Die Wunder-Regierung erfreuet die Braut:
Er werde dann ewig für alles gepriesen.
Was unsere Augen die Tage geschaut!
Er mache Sie beyde voll heiliger Freude,
Verbinde Sie mit dem vollkommensten Bande,
Und höre das Flehen der Stillen im Lande.
Hat er Sie von Ewigkeit dazu erlesen,
Worzu Sie Sein Liebes-Rath neulich geführt:
So werde von nun an ihr Leben und Wesen,
Von Seiner durchdringenden Liebe gerührt:
Sie müssen auf Erden ein Ebenbild werden,
Von Herzen, die Seine Versehung gebunden,
Und die in derselben ihr Glükke gefunden.
Und weil Er uns alle so herrlich gelehret,
Daß Menschen-Kunst nichts, und Er alles gemacht;
So werde der Unruh auf ewig gewehret,
Und wir in die selige Stille gebracht,
Darinnen die Seinen verborgener scheinen,
Als Leute, die Leben und Geister verlieren,
Und dennoch den Erd-Kreis alleine regieren.
Wohlan! der Bundes-Gott hat sich recht treu erzeigt; 1
Wir wissen was er jüngst für neue Wunder übte:
Wie hoch hat Er erhöht, die Er so tief gebeugt,
Wie hat Er die erfreut, die Er zuvor betrübte.
[47]
Geliebte! da Euch Gott den schönen Vorzug gönnt,
Daß Ihr in Seiner Furcht die Sache angefangen,
Daß Euch Sein Gnaden-Ruf zur heilgen Eh ernennt;
So suchet ewiglich in diesem Schmuk zu prangen.
Drum nehmet Euch doch nichts in euerm Leben für,
Dabey der treue Herr nicht Rath und That gewesen:
Der Herr eröfne Euch des Glüks und Creutzes Thür,
Er leg Euch Krankheit auf, Er lasse euch genesen.
Er selber mach es Euch itzt leicht, und morgen schwer,
So, wie Sein weiser Rath es euch bequem ermisset.
Was Euch begegnen kan, das alles schaffe Er,
Damit Ihr Lieb und Leid von Ihm zu fordern wisset.
Er sey der erste Grund, der Mittel-Punct, und Schluß
Von allem Euerm Thun: Sein Stekken müß' Euch weiden:
Er zukre jeden Kampf mit Seiner Gunst Genuß,
Und woll Euch allen Trost der Creatur verleiden.
Wie süsse schmekt das Brod, das Seine Güte schenkt!
Wie labet uns der Trank, den Seine Liebe quillet!
Wohl einer jeden Seel, die sich in Ihn versenkt,
Und ihrer Sinnen Sturm in Seiner Sanftmuth stillet.
Mein Bruder, deine Ruh wird meinen Geist erfreun,
Und die Zufriedenheit der werthen Theodoren
Wird mir ein Gnaden-Lohn von Gottes Güte seyn,
Die Euer Eheband im Wächter-Rath erkoren.
Erinnert Euch nur oft, was von der Lebens-Saat,
Was von der Seligkeit des Gott vermählten Orden,
Und von der Wunder-Hand, die euch geleitet hat,
Auf Reminiscere 2 ist ausgesprochen worden.
Herr höre mein Gebet, und siehe gnädig an
Die Kinder, die Ihr Glük in Deiner Hand gefunden:
Brich ihnen überall die schöne Glaubens-Bahn,
Vermähle Sie mit Dir, so sind sie vest verbunden.

Fußnoten

1 Durch die Vermählung der Durchlauchtigsten Printzeßin Sophia Magdalena zu Brandenburg-Culmbach, an des damaligen Kron-Printzen von Dännemark Königl. Hoheit.

2 Das war der Verlöbnis-Tag, und jenes der Inhalt damaliger Reden.

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TextGrid Repository (2012). Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von. Gedichte. Teutsche Gedichte. 17. Auf die Heimführung der Gräfin Theodore Reußin. 17. Auf die Heimführung der Gräfin Theodore Reußin. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-BC88-3