Die Zwölften.

1261.

In den sogenannten Zwölften, besonders auch in der Silvesternacht, hält ›Fru Gor‹ ihren Umzug. Nach der Erzählung eines der Dienstmädchen im elterlichen Hause zu Eldena, einer jetzigen Hauswirthsfrau in Göhren bei Eldena, spielt Fru Gor ungefähr die Rolle des schlesischen Rübezahl. Sie ist ein Wesen, welches, in der Luft sich herumtreibend, auch mancherlei Gestalten annehmend, den Menschen bald Glück bald Schaden zufügt. – In einer Silvesternacht brach einem Bauern auf der Rückfahrt in die Heimat die Deichsel des Wagens. Einige Splitter des Holzes fallen beim Brechen der Deichsel zur Erde und andre schneidet der Bauer ab, um desto besser die beiden Stücke der Deichsel wieder zusammenfügen zu können. Da erscheint ihm Fru Gor in Gestalt eines alten Weibes und befiehlt ihm, die herabgefallenen Holzspäne mit nach Hause zu nehmen. Der Bauer thuts und am nächsten Morgen sind die Späne in reines Gold verwandelt. – Ein Anderer geht zu Fuß mit einem großen Kessel auf dem Rücken. Die Nacht ist bitterkalt und die Ursache der [242] Kälte, meint der gute Mann, sei nichts Andres, als die Bosheit der Fru Gor. Während er nun weidlich auf sie schilt, kommt Etwas durch die Luft dahergerauscht, und er fühlt zwei große Flügel unbarmherzig auf sich losschlagen. Nur dadurch, daß er sich in seiner Todesangst schnell unter den Kessel verkriecht, rettet er sein Leben. – Auch pflegt Fru Gor, wie mir in Gr.-Laasch erzählt ward, wohl einen Stein in das Haus zu werfen, den man im ganzen folgenden Jahre nicht wieder herauszubringen vermag, weil er in Gestalt eines schwarzen Hundes immer wieder hereinkommt. Erst nach Ablauf des Jahres holt Fru Gor den Stein ab, und bringt statt dessen Geld ins Haus. (Vgl. Niederhöffer 2, 91.) – Zum Schutz gegen Fru Gor und die Hexen, welche in den Zwölften ihr Wesen treiben, muß irgend ein Gegenstand an einen Besen gebunden und dieser in der Küche aufgestellt werden; auch muß, damit das Wasser in den Brunnen nicht behext werde, in letztere hineingeschossen werden. (Eldena. Hilfsprediger Timmermann. Vgl. Nordd. Gebräuche Nr. 172 ff.) – Sonst ist zu beobachten in den Zwölften, daß man keinen Dung ausbringt, auch darf dann keine Wäsche gehalten werden, denn ›wer in de Twölften den Tun bekled't, dei bekled't in 'n sülwigen Jor den Kirchhof‹. (Mummendorf.) – Wer in den Zwölften spinnt, kommt mit dem Spinnrad in den Mond (Mummendorf) und in der Silvesternacht darf kein Garn auf Spinnrad und Haspel stehen. (Bresegardt.) – Stirbt Jemand in den Zwölften, so wird im folgenden Jahre die Erde ›viel offen sein‹; es werden Viele sterben. (Mummendorf.) – Ein alter Eldenaer Kuhhirte pflegte nach dem in den Zwölften herrschenden Wetter einen Witterungskalender für das kommende Jahr zu machen.


Timmermann.

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TextGrid Repository (2012). Bartsch, Karl. Märchen und Sagen. Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg. Zweiter Band: Gebräuche und Aberglaube. Gebräuche und Aberglaube. Die Zwölften. 1261. [In den sogenannten Zwölften, besonders auch]. 1261. [In den sogenannten Zwölften, besonders auch]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-D157-D