420. Borgwall bei Menkendorf.

Zwischen Leussow und Menkendorf, nahe an der Rögnitz, liegt, von Wiesen eingeschlossen, der Borgwall, ein hoher, kreisförmiger Erdwall, der auf der Nordseite eine Einfahrt hat. Hier hauste vor Jahren ein Räuber, der nicht nur das Geld und Gut der Bauern bedrohte, sondern zuletzt auch ein Mädchen aus Grebs entführte. Sieben Jahre behielt er sie bei sich, zeugte jedes Jahr mit ihr ein Kind, dem er aber gleich nach der Geburt den Hals abschnitt. Um sich aus diesem ihr qualvollen Leben zu befreien, verbarg sie ihre Sehnsucht nach der Heimat und Freiheit und stellte sich ganz zufrieden. Einst bat sie den Räuber, sie den Eldenaer Herbstmarkt besuchen zu lassen. Er gestattete es, sie mußte aber schwören, wiederzukommen und seinen Aufenthalt nicht zu verrathen. Sie that es und ging nach Eldena. Hier traf sie ihre Bekannten und Verwandten, die sie längst todt geglaubt hatten und nun mit Fragen in sie drangen. Sie verweigerte aber jede Auskunft, da sie geschworen habe; doch kaufte sie ein Faß Erbsen und streute diese [313] auf ihrem Wege aus, den sie zum Borgwall zurücknahm. Ihre Verwandten folgten ihr von ferne. An den Spuren des Pferdes, welche nach außen gingen, erkannte sie, daß der Räuber ausgeritten sei; denn er hatte, um zu täuschen, seinem Pferde die Hufe verkehrt aufgeschlagen. Jetzt kehrte sie zu ihren Verwandten zurück und rathschlagte mit ihnen. Jeden Mittag nach dem Essen mußte sie sich auf des Räubers Schoß setzen und sein Haar streichen, bis er eingeschlafen war. Sie verabredeten nun, sie wolle, wenn er eingeschlafen sei, ein langes Seil um seinen Hals legen, das sollten die Draußenstehenden anziehen und ihn so erwürgen. Am andern Tage wurde Alles in verabredeter Weise ausgeführt und das Mädchen kehrte befreit nach Grebs zurück.


Seminarist H. Offen.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Bartsch, Karl. Märchen und Sagen. Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg. Erster Band: Sagen und Märchen. Sagen. 420. Borgwall bei Menkendorf. 420. Borgwall bei Menkendorf. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-E1F0-3