169. Schwarzer Bolle.

Ueber die sogenannte Jungfernbęk, einen kleinen Bach, der bei Ankershagen in den Mühlensee mündet, führte ehedem, als sie noch wasserreicher war, ein Steg. Auf diesem Stege war es zur Mitternachtsstunde nicht richtig, denn da lag da ein großer, schwarzer Bolle, der Jedem, der des Weges kam, den Paß streitig machte, so daß man umkehren, einen Umweg machen oder durch den Bach waten mußte. Hiervon hörte auch ein Zimmergeselle, der einmal in dieser Gegend arbeitete. Er war einer von denen, die selbst den Teufel nicht fürchten, und darum fürchtete er sich auch nicht vor diesem Spuk. So begab es sich denn, daß er einst spät Abends diese Straße wandern mußte. Er hatte aber sein gesammtes Zimmergeräth in einem Bündel bei sich. Als er nun zu der berüchtigten Stelle kam, war es gerade Mitternachtsstunde, und richtig lag auch das Ungethüm auf dem Stege, ihm trotzig den Weg versperrend. Umkehren konnte der Geselle nicht, denn er mußte heim, und durch den Bach wollte er auch nicht waten; so machte er denn Anstalt, sich freie Bahn zu verschaffen. Ohne Zaudern legte er sein Bündel auf die Erde und langte aus demselben seine große Zimmeraxt. Mit dieser machte er sich an den Schwarzen und bearbeitete ihm aus Leibeskräften sein dickes Fell, indem er zu den Hieben immer ›Eins! Zwei!‹ ausrief. Eine Zeit [140] lang schien das seltsame Thier die dröhnenden Schläge gar nicht zu beachten, endlich aber erhob es sich doch brummend und verschwand unter einem Knall, als ob alle Bäume der Ankershäger Heide zusammenbrächen, und mit den Worten ›'t is din Glück, dat du man »Cen! Twee!« seggt hest. Du haddst man bet dree tell'n söllt, denn hadd'k di wat Anners wisen wollt.‹ Dem Gesellen widerfuhr nichts Arges; er konnte in Frieden seine Straße ziehen und nach ihm hier auch jeder Andere zu jeder Zeit; denn der Bolle ließ sich nicht wieder blicken.


A.C.F. Krohn bei Niederh. 4. 28 f.

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TextGrid Repository (2012). Bartsch, Karl. Märchen und Sagen. Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg. Erster Band: Sagen und Märchen. Sagen. 169. Schwarzer Bolle. 169. Schwarzer Bolle. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-EF03-9