[166] 260. Der Schwedenkönig in Ulm.
Ich ließ mir mal in Ulm von einer Base erzählen, im Wirtszimmer »zur Hochschule« sei noch jezt ein hölzernes, etwa zwei Fuß hohes Bild bemalt zu sehen, ohne Kunst verfertigt, das den »Schwedenkönig« bedeute. Schon im Schwedenkrieg sei dieses Wirtshaus die Schreinerherberge gewesen. Da sei auch mal der Schwedenkönig nach verlorner Schlacht hingekommen, flüchtig, in Bauernkleidern. Er habe sich in die Wirtsstube gesezt, die voll von Oestreichern saß. Eine Kellerjungfer habe den Bauer gefragt, warum er so traurig dasitze, während doch Alles so jubilire, weil die Oestreicher gesiegt hätten. Er gab ihr einen Deut, ihn nicht weiter zu fragen, er wolle ihr's dann schon sagen. Sagte ihr nachher: er wäre ein Schwede und möchte in sein Lager und wisse nicht, wie er durch die Feinde kommen soll. Die Kellerjungfer nahm den Schweden mit in ihre Kammer und zeigte ihm an, sie hätte einen Liebhaber im schwedischen Lager und nannte dessen Namen. Auf den Abend wolle sie reisende Schreinerbursche gewinnen, mit denen er glücklich durchkäme. Des Abends kamen wirklich Schreiner, die in die Mitwissenschaft gezogen wurden. Der Schwedenkönig zog eines Kleidung an und nahm den Ranzen auf den Buckel. Die Bursche marschirten zur Stadt hinaus, und »hinausschenkend« zogen sie durch's Thor dem schwedischen Lager zu, wo sie glücklich anlangten. Der König, im Jubel aufgenommen, entließ seine Begleiter mit Geschenken. Die Kellerjungfer ward besonders gut bedacht. Der Liebste ward alsbald zum König berufen und ihm angekündigt, daß er befördert werde und seine Ulmerin heiraten könne. Zum [167] ewigen Andenken hätte die ehrsame Schreinerzunft den Schwedenkönig in Holz schnitzen lassen und in ihrer Herberg aufgestellt, allwo das Bild bleibt und nicht hinweggenommen werden darf 1.
Fußnoten
1 In dem Schriftchen: »die Beziehungen Gustav Adolphs zu der Reichsstadt Ulm. Urkundliche Darlegung zur Begrüßung der Theilnehmer an der Siebenzehnten Hauptversammlung des Evangelischen Vereins der Gustav-Adolph-Stiftung am 28., 29. und 30. August 1860, von Professor Dr. K.D. Haßler, Conservator der Kunst- und Alterthumsdenkmäler Württembergs. Ulm 1860. 4°. Wagner'sche Buchdruckerei,« S. 7, kommt der Verfasser auch auf unsere Sage. »Es gibt nämlich,« heißt es da, »oder gab wenigstens keinen alten Ulmer, der nicht steif und fest geglaubt hätte, Gustav Adolph sei persönlich hier in Ulm gewesen.« »Der König sei als Spion verkleidet fünf Tage hier gewesen, im Gasthause zur ›Hohen Schule‹ verborgen, habe jedoch neben Besorgung seiner eigentlichen Geschäfte noch Zeit gefunden, sich in eine Liebschaft einzulassen (abweichend von unserer Sage), welche, nachdem seine Anwesenheit verrathen worden und er in größter Gefahr war, so viel Einfluß auf die Gesellen des ehrbaren Schreinerhandwerks (man sieht nicht recht ein, wie) zu üben wußte, daß diese ihn (Variante: nach förmlicher Aufnahme in die Schreinerzunft) als Schreinergesellen verkleidet glücklich aus der Stadt brachten.«
In der Anmerkung heißt es: »Noch befindet sich in der Gaststube zur Hohen Schule, offenbar aus dem 17. Jahrhundert herrührend, eine hölzerne Figur im Feldherrncostüm dieses Jahrhunderts, welche ernst und würdevoll herabblickt auf das muntere Treiben der Schreinergesellen, die daselbst bis in die neueste Zeit ihre Herberge hatten. Es ist Gustaph Adolph, der große Schwedenkönig, von dem eine, leider durch eine neueste ›Restauration‹ verballhornte alte Tafel in eben diesem Gasthause wörtlich Folgendes berichtet: › ... von eben diesem Gustav Adolph wird gemeltet, Das er in diesem gasthoff, zu der Hohen schull genannt, soll 5 Tage Lang als Kundschaffter verborgen gewessen sein, weil er aber verrathten, So wurde er von etligen des Löblichen und Ehrsamenen Handwerk der Schreiner, als geseel, vor die Thor in Freyheit begleidet.‹«
»Mathias Sachy.«